Bedürfnisse – der Ursprung von Gefühlen und Verhalten
Alles – alles!-, was Sie denken, fühlen und tun hat mit einem Bedürfnis zu tun. Stricken, Handwerken, schlafen, joggen, streiten, schmeicheln, schimpfen, streicheln, reden, sich lieben, sich prügeln, arbeiten, lesen, grübeln, erfinden, heranziehen, wegstoßen, bauen, niederreißen ….. Alles dient dazu, Bedürfnisse zu befriedigen. Bedürfnisse sind der Lebensmotor, der Lebensantrieb. Sie motivieren uns permanent zu handeln – ob wir uns ihrer bewusst sind oder nicht.
Der Begriff „Bedürfnis“ in diesem speziellen Kontext benötigt eine Definition. Im Gegensatz zum landläufigen Gebrauch sind hier universelle Lebensmotive gemeint, d.h., alle Menschen in allen Kulturen haben diese grundlegenden Bedürfnisse, um zu gedeihen und ein erfülltes Leben zu führen. „Strategien“ hingegen sind konkrete Verhaltensmaßnahmen, mit denen Menschen diese grundlegenden Bedürfnisse befriedigen möchten. Ein „Bedürfnis nach einem Kaffee“ ist demnach kein Bedürfnis, sondern eine Strategie zur Erfüllung eines Bedürfnisses, z.B. nach Spannung oder Kraft. Präziser wäre es, von Lust auf Kaffee oder dem Wunsch oder Verlangen nach Kaffee zu sprechen. Das „Bedürfnis, jemandem die Meinung zu sagen“, ist eine Strategie, mit der das Bedürfnis nach Respekt oder Klarheit oder Verständnis erfüllt werden soll. Strategien können Leben zerstören. Bedürfnisse dienen dem Leben. (…)
Geben und Nehmen sind bei Bedürfnissen wie beim Luftholen das Ein- und Ausatmen: Wenn man leben möchte, geht das eine nicht ohne das andere. Das Bedürfnis nach Verständnis beispielsweise bedeutet sowohl verstanden werden zu wollen wie auch verstehen zu wollen, und das Bedürfnis nach Liebe meint sowohl lieben zu wollen als auch geliebt werden zu wollen.
Das bedeutet aber auch, dass das Bedürfnis nach Verständnis erfüllt werden kann, indem man sich selbst oder anderen Verständnis entgegenbringt. Das Bedürfnis nach Liebe kann erfüllt werden, indem man sich selbst oder andere liebt. Möchten Sie von einer bestimmten Person auf eine bestimmte Weise oder zu einem bestimmten Zeitpunkt geliebt werden, handelt es sich um Strategien.
Gerlinde Ruth Fritsch: Praktische Selbst-Empathie (Junfermann 2008)
Wir veröffentlichen den Auszug aus diesem Buch mit Einverständnis unseres Kooperationspartners Junfermann Verlag. Für uns ist dies Ausdruck eines gelebten Miteinanders, für das wir uns herzlich bedanken.