Ich war mit meinem Rad in das Fahrradabteil eines Regionalzuges eingestiegen. Nur wenige andere Fahrgäste befanden sich in dem Zug. Nach einer Weile gesellten sich etwa zwölf junge türkische Männer zu mir. Ihr Anführer sammelte sie um sich und gab ihnen Instruktionen für eine unmittelbar bevorstehende Schlägerei mit einer anderen Gang. Nach einer Weile sah ich, dass alle Gangmitglieder eine Zigarette in der Hand oder im Mund hielten, während der Anführer gerade das Feuerzeug entzündet hatte. Ich saß im Nichtraucherabteil und bat: „Bitte rauchen Sie woanders! Ich vertrage Zigarettenrauch nicht – mir wird fürchterlich übel dabei!“ Der Anführer schaute mich äußerst verdutzt an: “Wieso? Das machen doch alle!“ „Das kann gut sein, aber ich sitze doch hier im Nichtraucherabteil, und außerdem kann ich mein Rad hier nicht befestigen und muss deshalb hierbleiben. Das wäre einfach toll, wenn Sie woanders rauchen würden!“ Er starrte mich an, sagte „Da ist überall Nichtraucher!“, während die Gangmitglieder ihn fixierten. Dann ließ er sein Feuerzeug zuschnappen, griff in seine Brusttasche nach der Zigarettenschachtel, steckte seine Zigarette zurück und reichte sie herum, woraufhin alle es ihm nachtaten. Ich bedankte mich freudig was er gelassen abwinkte. Als der Zug hielt und alle zum Ausgang strömten, hielt er seine Kumpels zurück: “Wartet mal! Lasst doch die Dame zuerst aussteigen! Brauchen Sie Hilfe?“
Die Handlungsbitte wird nur dann bei anderen auf die grundsätzliche Bereitwilligkeit stoßen, sie zu erfüllen, wenn eine gute Beziehung besteht. Um diese herzustellen, dazu kann die Beziehungsbitte beitragen.
Es gibt zwei Arten von Bitten:
Handlungsbitten: Diese beziehen sich auf eine spezifische Handlung zur Erfüllung der eigenen Bedürfnisse.
Beziehungsbitten: Diese beziehen sich auf die Gefühle oder Bedürfnisse des anderen mit dem Ziel, eine gute Verbindung zueinander herzustellen.
Beispiele für Beziehungsbitten sind:
Ist es für dich in Ordnung, das zu tun, worum ich dich bitte?
Bist du bereit dazu?
Bitte teile mir mit, wie du dich fühlst, wenn ich das zu dir sage.
Bitte teile mir mit, was du über das denkst, was ich gesagt habe.
Gib mir doch bitte wieder, was du mich hast sagen hören, damit ich sehe, ob ich mich klar ausgedrückt habe.
Bist du bereit, mir zu sagen, was genau ich tue oder sage, das bei dir den Eindruck erweckt, ich sei „überheblich“?
(…..)
Gerlinde Ruth Fritsch: Praktische Selbst-Empathie (Junfermann 2008)
Wir veröffentlichen den Auszug aus diesem Buch mit Einverständnis unseres Kooperationspartners Junfermann Verlag. Für uns ist dies Ausdruck eines gelebten Miteinanders für das wir uns herzlich bedanken.