Das Wohlergehen aller Menschen
In der Gewaltfreien Kommunikation gibt es eine Grundannahme, die auf Gandhi zurückgeht. Sie besagt, dass Menschen den natürlichen Impuls haben, zum Wohlergehen anderer beizutragen. In diesen Impuls möchte ich mein eigenes Wohlergehen mit einbeziehen und diese Grundhaltung erweitern: Menschen haben den natürlichen Impuls, zum Wohlergehen aller Menschen beizutragen.
Jetzt bin ich selbst in dieses Wohlergehen mit einbegriffen und stehe auf einem der vorderen Plätze. Denn kann ich nicht besser zum Wohlergehen anderer beitragen, wenn es mir selbst gut geht? Wenn ich nach meinen Bedürfnissen lebe? Zu diesen Bedürfnissen gehört auch, dass ich mit anderen Menschen wertschätzende Beziehungen habe. Je mehr ich mich selbst wertschätze, desto besser kann ich anderen wertschätzend gegenübertreten. Und je mehr ich andere wertschätze, desto öfter haben sie vermutlich Lust, auch mit mir achtsam umzugehen. So sind wir Menschen miteinander verbunden – wir sind nicht zum Alleinsein geboren.
Wirfst du mehrere Steinchen gleichzeitig ins Wasser, dann bilden sich mehrere Mittelpunkte. Von diesen Mittelpunkten im Wasser bewegen sich kleinere oder größere Wellen nach außen. An vielen Berührungspunkten fließen die Wellen ein Weilchen miteinander oder ineinander. Dann ebbt die Bewegung wieder ab.
Wir selbst sind diese Mittelpunkte mit ihren Wellen, wir berühren einander und kehren auch wieder zu uns selbst zurück. Nach einer Berührung mit anderen sind wir nicht mehr dieselben, die wir vorher waren. Jede Berührung fügt eine neue Facette zu meinem Mosaik, jeder Kontakt erzeugt eine neue Farbnuance in deinem Muster.
Wenn du wertschätzende Beziehungen zu dir selbst und zu anderen erleben möchtest, dann nimm dir doch heute ein bisschen Zeit um nachzuspüren, wo sich deine Bedürfnisse erfüllt haben. Gönne es dir, dich darüber zu freuen. Wenn du ein paar Mal tief ein- und ausatmest, bekommt deine Freude mehr Raum in dir, und du kannst sie deutlicher spüren.
Nimm dir dann etwas Zeit um zu feiern, wie du die Anliegen anderer berücksichtigt hast. Bei welcher Gelegenheit hast du dazu beigetragen, dass sich jemand anderes gefreut hat oder erleichtert war oder auch berührt – weil dein Handeln für diese Person in diesem Moment etwas Wichtiges erfüllt hat?
Und nimm dir weiterhin einen Moment Zeit, um anderen Menschen deine Wertschätzung auszudrücken, weil sie dazu beigetragen haben, das zu erfüllen, was dir am Herzen liegt. Vielleicht hast du eine spontane Hilfestellung erlebt, ein Sich-Zeigen, einen Gruß, ein Gespräch – und das war dir wertvoll.
Wie die Kreise im Wasser so sind auch die menschlichen Beziehungen in Bewegung, sie fließen mal mehr und mal etwas weniger. Mal im Kreis und dann wieder geradeaus. Mal in diese und mal in jene Richtung. Du bist herzlich eingeladen mitzufließen.
Ingrid Holler: „Energie auftanken“ (Junfermann 2006)
Wir veröffentlichen den Auszug aus diesem Buch mit Einverständnis unseres Kooperationspartners Junfermann Verlag. Für uns ist dies Ausdruck eines gelebten Miteinanders für das wir uns herzlich bedanken.
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