Klaus-Dieter Gens wurde vom Vorstand aufgrund seines Engagements für die Gewaltfreie Kommunikation zum Ehrenmitglied des Fachverbandes ernannt. Er lernte Marshall Rosenberg 1993 in Berlin kennen und gehörte 1999 zu den ersten von Marshall B. Rosenberg zertifizierten Trainern in Deutschland. Zehn Jahre lang übernahm er gemeinsam mit seiner Frau Katarina für ihn ehrenamtlich die Koordination seiner Besuche in Nord- und Ostdeutschland und begleitete ihn während seiner Aufenthalte.

Lesen Sie im Folgenden ein Interview mit Klaus-Dieter Gens, welches unser Mitglied Peter Schmid im Mai 2019 mit ihm führte. Das Audio zum Nachhören finden Sie hier.


Peter Schmid (PS): Klaus-Dieter, wie kamst du denn überhaupt zur Gewaltfreien Kommunikation? Wie war dein erster Kontakt?

Klaus-Dieter Gens (KDG): Ja, das war so also 1994 ziemlich genau vor 25 Jahren. Da kam eine Kollegin auf mich zu und sagte: ‚Du, ich war am Kirchentag und habe jeden Tag Marshall Rosenberg gehört. Der lehrt Gewaltfreie Kommunikation… das musst du kennen lernen!‘
Ich sagte: ‚Gewaltfreie Kommunikation kenne ich nicht. Mach doch mal vor, wie geht denn das?‘
Und dann fing sie an – ganz klassisch: ‚Also, wenn ich sehe und höre, dann fühle ich mich und ich brauche…‘ Ich dachte: ‚Oh nein, wie kann man so reden…!‘
Ich hatte ja gerade 20 Jahre offene Jugendarbeit hinter mir und dachte, wenn ich so mit den Jugendlichen rede, dann kann ich mir die Antwort schon ausdenken, da brauche ich gar nicht erst anzufangen. Sie hat mich dann doch überredet, mal an einem Workshop mit Marshall teilzunehmen, sie hatte ihn nämlich nach Berlin geholt. Marshall war ja damals noch nicht berühmt in Deutschland und ging auch zu kleinen Workshops.
Ja, und so nach und nach habe ich dann schon gemerkt, dass das, was Marshall da erzählte und vormachte, dass das doch eigentlich ziemlich genau das traf, was ich in meiner bisherigen Arbeit eigentlich gesucht habe, mir gewünscht habe. Dass Menschen anders miteinander umgehen, dass sie anders miteinander reden, dass sie irgendwie in Verbindung sind, dass Konflikte anders gelöst werden oder dass anders damit umgegangen wird. Und so wurden meine Ohren immer größer. Das war dann der Anfang, so dass ich beschlossen habe, dies zu lernen und zu lehren.

PS: Wie ging es dann weiter?

KDG: Dann habe ich versucht, alles Mögliche zu finden, was man darüber lesen kann. Es gab ja keine deutsche Literatur über Gewaltfreie Kommunikation. Das Buch von Marshall kam erst sehr viel später auf Deutsch heraus. 1999 glaube ich. Wir haben angefangen das zu übersetzen hier in Berlin, sind dann aber nicht so richtig weitergekommen und dann hat Ingrid Holler das weiter übersetzt.

PS: Das heißt, damals gab es keine deutsche Literatur über die GFK?

KDG: Wir haben angefangen die ersten Hefte, die es als Workshop-Mitschnitte von Marshall gab, zu übersetzen und nachts haben wir die gedruckt und geheftet und da entstand dann übrigens Conex, unser Buchshop. Da war die Idee, dass Menschen alles an einer Stelle finden können, was es über Gewaltfreie Kommunikation gibt. Dass das einmal auf über 280 Artikel anwachsen würde, das hatten wir damals nicht geahnt.

PS: 1994 warst du also bei den allerersten, die die Gewaltfreie Kommunikation als Trainer weitergegeben haben?

KDG: Ja, es gab sozusagen zwei Zentren. Da war München, wo Marshall das erste Mal war. Isolde Teschner hatte ihn zu einer Friedensinitiative nach München eingeladen. Und im Norden und Osten, da war ich lange Zeit der Einzige.
Marshall suchte zu der Zeit Kontaktperson in allen Ländern, und hatte mich gebeten, das für Nord- und Ostdeutschland zu machen und Isolde für Süddeutschland, Schweiz und Österreich.
Und das habe ich dann gerne übernommen. Das war eine ehrenamtliche Aufgabe, Seminare für Marshall zu organisieren. Dass habe ich dann ungefähr 10 Jahre lang gemacht.
Ich habe ihn ja auch privat untergebracht, wo sich auch die Gelegenheit ergab, mit ihm persönliche Gespräche zu führen, für die ich sehr dankbar bin.

PS: Nachdem du so lange Erfahrung mit der GFK hast, kommen bei dir die alten Muster noch durch?

KDG: Ja es gibt so Situationen wo ich quasi an getriggert werde. Ja, und da sind den bewertenden Gedanken von früher schneller da, als ich denken kann. Marshall hat ja mal gesagt „Das Denken geht so schnell, dass man gar nicht merkt, dass man denkt“. 1000 Bewertungen in einer Sekunde.
Und es kommt auch immer noch vor, dass ich etwas sage, worauf hin ich in der nächsten Sekunde zu mir selber sage, das hätte ich lieber nicht so gesagt.
Was der Unterschied zu früher ist, dass ich das schneller merke und dass ich korrigieren kann.
So wie ich Marshall erlebt habe, glaube ich, hatte er sich auch nicht immer 100 Prozent unter Kontrolle.

PS: Was sind den deine Strategien um wieder in die Haltung zu kommen, wenn du rausgefallen bist?

KDG: Ja, worauf ich immer Wert lege ist, darauf hinzuweisen und den Leuten zu sagen, ist der berühmte Stopp. Also wenn du merkst, es läuft nicht dahin, wo es hinlaufen soll „Maul halten“ sage ich immer.
Wirklich stoppen. Weil das, was impulsiv oder das, was unbedacht schnell rauskommt ist in der Regel Wolf und das macht die Sache schlimmer. Also Stopp. Stopp finde ich eins der wichtigsten Errungenschaften. Und dass man sich wirklich die Zeit nimmt, dieses Stopp dann zu nutzen, um in sich zu gehen, die Selbsteinfühlung zu praktizieren und sich dann darüber Gedanken macht wie es im Anderen eigentlich aussieht und dann einen guten Zeitpunkt sucht, um neu anzufangen.

PS: Du bist auch anerkannter Trainer Fachverband Gewaltfreie Kommunikation. Was bedeutet es für dich, dass der Fachverband dir die Ehrenmitgliedschaft verliehen hat?

KDG: Ja, das hat mich selber überrascht, dass ich Ehrenmitglied werden soll. Ich habe ein paar Tage gebraucht, mir zu überlegen ob ich das überhaupt annehmen möchte. Ich hatte ein bisschen die Sorge, dass ich jetzt irgendwie Vorträge halten müsste, kluge Reden halten, dass ich präsentieren müsste oder so. Da ich ja gesundheitlich nicht mehr so stabil bin, reise ich nicht mehr, und das war schon ein Punkt wo ich dachte, was kommt da wohl so auf mich zu?
Aber dann habe ich mir überlegt, dass es doch eine enorme Wertschätzung ist und ich habe mich sehr gefreut, dass es Kolleginnen und Kollegen gibt, die meinen Beitrag hier in Deutschland zur Entwicklung der Gewaltfreien Kommunikation kennen und auch zu schätzen wissen. Also da habe ich mich sehr drüber gefreut und da bin ich auch sehr, sehr dankbar dafür. Ja, und so habe ich die Ehrenmitgliedschaft angenommen und finde es schön, dass da diese Idee entstanden ist.

PS: Gibt es eine Lebensweisheit, die du teilen möchtest?

KDG: Ja, da gibt es eine. Ich weiß nicht mehr von wem ich die habe, aber es hat mich mal sehr beeindruckt. Die Idee ist, dass man sich mit einer Sache intensiv und lange beschäftigt, um darin Meister zu werden. Oder, wenn man es anders herum sagt, die Leute, die viele Sachen hintereinander machen oder gleichzeitig, die machen vieles eben nicht so fundiert.
Passt auch zu Marshall, der gesagt hat, er hätte es gerne, dass die Gewaltfreie Kommunikation getrennt von anderen Methoden gelehrt und angewendet wird um sie nicht zu verwischen. Marshall hat ja fast sein ganzes Leben lang Gewaltfreie Kommunikation gemacht und deshalb war er ein Genie da drin.

PS: Klaus-Dieter, ich danke dir für das Interview. Und ich persönlich danke dir, für den Weg, den du gegangen bist, den Weg, den du breitest hast. Ich bin gekommen und hatte Literatur, ich konnte mich informieren und schnell starten und du bist einer derjenigen gewesen, die das vorbereitet haben. Dafür empfinde ich viel Dankbarkeit. Danke.

Klaus-Dieter Gens
Jahrgang 1950, lebt seit 1969 in Berlin
Diakon, Sozialpädagoge, NLP-Lehrtrainer und Supervisor
Ausbilder für Trainer/innen der gewaltfreien Kommunikation in Berlin Frankfurt, Hamburg, Kassel und Kiel.
Gründer und Vorsitzender des ehem. Zentrum Gewaltfreie Kommunikation Berlin e.V.
Mitautor der Bücher:
„Ich höre was, das du nicht sagst“ (Beziehungen)
„Mach doch, was du willst“ (GK am Arbeitsplatz)
Autor des Buches: „Mit dem Herzen hört man besser“