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Wahlmöglichkeiten und Selbstverantwortung in der Kindererziehung

Wahlmöglichkeiten und Selbstverantwortung in der Kindererziehung 

Es kostet Mut und Vertrauen, Wahlmöglichkeiten und Selbstverantwortung auch in der Familie zu fördern. Wollen Sie liebe, nette, angepasste Kinder oder „wilde Kerle“? Damit meine ich Kinder, die vielleicht nicht immer bequem oder leise sind, aber authentisch und selbstverantwortlich. 

Mein Mann und ich haben uns für die „wilden Kerle“ entschieden, auch wenn das hin und wieder eine Herausforderung ist. 

Abends beginnt bei uns das Familienleben. Durch die beiden großen Söhne und unsere Berufstätigkeit findet das Gemeinsame oft am Abend zwischen 19 und 21 Uhr statt. Natürlich wollte auch Matteo, unser Jüngster, unbedingt daran teilhaben. Am Anfang hat es uns viel Mut gekostet, dieses Vertrauen in Matteo zu setzen. Auch gegen andere Meinungen, die lauteten: „Ihr könnt dem Kind nicht seinen Willen lassen, es muss doch einen geregelten Schlaf bekommen. Was macht ihr, wenn Matteo in die Schule kommt?“ Aber sowohl bei meinem Mann als auch bei mir war der Wunsch, unserem Kind Eigenverantwortung zu übertragen, grösser als unser Verlangen, uns auf die „Sollte-und-müsste-Einstellungen“ einzulassen. Matteo stellte mehrfach fest, was es bedeutet, müde zu sein. Durch das eigene Erleben von Konsequenzen konnte er sich mit seinen Bedürfnissen verbinden, z.B. nach Ruhe und Regeneration. Er entdeckte für sich selbst, wie wichtig es ist zu schlafen, um am nächsten Tag fit zu sein. Matteo ist neun Jahre alt. Er geht ins Bett, wann er möchte. Er macht zum Ausgleich oft einen Mittagsschlaf. Wir können uns auf ein harmonisches Zu-Bett-Gehen und auch auf ein harmonisches Aufstehen verlassen. 

Mein Mann und ich sind froh, uns auf diesen Versuch eingelassen zu haben. Berührt hat mich, als Matteo neulich sagte: „Mama, ich glaube, wir sind eine besondere Familie.“ Ich frage: „Matteo, wie kommst du darauf?“ Matteo antwortete: „Weil wir die Bedürfnisse aller sehen.“ 

Von Eltern höre ich oft, dass das Thema „ins Bett gehen“ ein Reizthema ist. Eltern denken abends meist auch an ihre eigene Ruhe. Dann ist es gut, wenn die Kinder im Bett sind. 

Kinder hören in diesen Fällen „klassische“ Sprüche wie: „Es ist gut für dich ins Bett zu gehen, damit du morgen früh nicht müde bist.“ So übernehmen Erwachsene die Verantwortung für ihre Kinder und nehmen ihnen damit die Chance, Selbstverantwortung zu entwickeln. Steht jedoch nicht häufig dahinter, dass die Eltern Ruhe und Entspannung brauchen? 

Überlegen Sie, ob es auch andere Handlungsmöglichkeiten gibt, wie Sie sich Ihr Bedürfnis nach Ruhe und Entspannung erfüllen können. Sie könnten Ihrem Kind aufrichtig mitteilen, was Sie möchten, z.B. Ruhe und Entspannung im Wohnzimmer allein sein. Das ist anders, als wenn Sie sagen: „Geh ins Bett, damit du morgen nicht müde bist.“ 

Beate Brüggemeier: „Wertschätzende Kommunikation im Business “ (Junfermann 2017)

Wir veröffentlichen den Auszug aus diesem Buch mit Einverständnis unseres Kooperationspartners Junfermann Verlag. Für uns ist dies Ausdruck eines gelebten Miteinanders für das wir uns herzlich bedanken.