Screenshot BM-Kongress 2020

Kongress Bundesverband Mediation KLIMAWANDEL – Heute für ein Morgen streiten

Der erste Online-Kongress unseres Kooperationspartners Bundesverband Mediation e.V. mit fünf Keynote-Speakern, über 30 Workshops aus sechs verschiedenen Foren, einem Planspiel und Begegnung in der „Schein“-Bar vom 24. bis 28.11.2020 war mit über 700 angemeldeten TeilnehmerInnen ausgebucht.
Hier ein Einblick in die Keynotes und das Rahmenprogramm von Petra Porath:

Übersicht und Keynotes

Bereits zum Auftakt von „KLIMAWANDEL – Heute für ein Morgen streiten“ hatten sich fast 300 TeilnehmerInnen eingewählt. Nach den Begrüßungsworten zum Klimawandel auf meteorologischer, gesellschaftlicher und politischer Ebene der Vorsitzenden mit feierlichem rotem Bühnenvorhang im Hintergrund, wurde das Grußwort von Christine Lamprecht, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, verlesen. Unter Anderem schrieb sie: „Mediatorinnen und Mediatoren besitzen eine ganz besondere und inzwischen unersetzbare Expertise in der Konfliktbewältigung. Deshalb bin ich mir sicher, dass vom Mediationskongress wertvolle Impulse und Gedankenanstöße ausgehen werden – für das wichtige gesamtgesellschaftliche Projekt einer Stärkung der Konfliktkultur.“

Keynote Kübra Gümmüsay, Journalistin, Bloggerin, Autorin, las aus Ihrem Buch „Sprache und Sein“, verschaffte uns einen Einblick in verschiedene Kulturen und lud uns wiederholt zu einem Perspektivenwechsel ein. Wussten Sie, dass es Kulturen gibt, die kein „rechts“ und „links“ kennen, sondern Raum und Zeit nach der Himmelsrichtung beschreiben, nach dem Motto: „Ich drehe mich und damit die Welt“. Gefallen hat mir auch die Frage: „Liebst du die Erde?“ und nach einem Innehalten: „Liebt die Erde dich?“. Aus einem „Museum der Sprache“ könnten wir lernen: Wo sind die Orte, wo wir so miteinander sprechen können, dass es keine Käfige oder Kategorien gibt? Wo sind die Orte, wo wir laut denken dürfen?

Keynote Lamya Kaddor, deutsche Lehrerin, muslimische Religionspädagogin, Islamwissenschaftlerin und Publizistin lud uns u.a. dazu ein zu erforschen, was „Typisch Deutsch“ bedeutet. „Bier, Sauerkraut, Volksmusik“? Das klassische Bild von Nationalität wäre überholt, habe ich sie sagen hören, mit dem Appell sich für ein „Erweitertes Neues Deutsches WIR einzusetzen.

Die Workshops am ersten Tag waren ausgebucht. Der zweite Tag und die Folgetage wurde von den Vorsitzenden Alexandra Bielecke mit Korallenriffhintergrund und von Uwe Boers mit einem rückblickendem „Perlen sammeln“ eröffnet. Neugierde wurde geweckt mit dem Ausblick auf die folgenden Workshops, am 25.11. auch auf das Planspiel „Klimakonferenz“, in dem in einem fiktiven Industrieland eine fundamentale Transformation der Wirtschaft stattfinden sollte,  mit dem Anspruch sozial gerecht zu sein.

Am dritten Tag hielt Prof. Dr. Heribert Prantl den Keynote. Er ist ehemaliger Straf- und Verfassungsrechtler und Chefredakteur der SZ; jetzt Kolumnist und Autor der SZ.

Hier ein paar Zitate aus seinem wort- und stimmgewaltigen Vortrag : „Diese Gesellschaft braucht Mediation.“, „Pressefreiheit für Demokratie“, „Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden.“, „Rassismus und Corona haben eines gemeinsam: man ist nur auf dem Mond davor sicher.“, „Kann man es als Demokrat übertreiben mit der Demokratie?“, „Demokratie will sozialen Kontakt fördern.“, „Wir brauchen Präventionsnetzwerke.“, „Die Zukunft ist offen, sie wird geformt. Welche Zukunft wollen wir haben?“, „Erlauben wir uns Kritiker der eigenen Branche zu sein!“, Der Grußformel: „Bleiben Sie demokratisch.“ gingen Appelle voraus, dass das Parlament als zentrales Organ der Demokratie das Sagen haben muss und  Herr Prantl beendet seinen Vortrag mit: „Bleiben wir zuversichtlich und hoffnungsfroh.“ Nach dem Fragenteil mit über 100 Chatbeiträgen wünschte er sich jetzt nach der Verschärfung der Corona-Schutzmaßnahmen einen positiven Umgang der Politik mit der Solidarität der Gesellschaft.

Direkt im Anschluss an den Vortrag von Prof. Prantl fand die Verleihung des Ehrenpreises für besonderes gesellschaftliches Engagement statt. Auf der Homepage des Mediators Robert Erkan ist zu lesen: „Du warst was du bist und du wirst sein, was du tust.“ Er war derjenige, der nach dem Anschlag von Hanau am 19.02.20 als Ausländerbeirat und Initiator von „Gemeinsames Hanau“ Worte gefunden hat und auch organisatorisch alles getan hat, um Angehörigen und Opfern Halt zu bieten. Für diese Koordinationsarbeit, für seinen Einsatz wurde er mit einer Ehrenurkunde, 1000 €, einer Flasche Wein und Musikalischen Genüssen geehrt. Der Pianist Markus Becker, „Musikalischer Seelenmacher mit Verstand“, ließ uns in Ton und Bild an dem 1. Satz aus Joseph Haydns E-Moll Klaviersonate und an einem selbstkomponierten Jazzstück teilhaben.

Bezeichnend war für mich, zu hören, was Robert Erkan in seinem Engagement unterstützt hat: die vielen Mitwirkenden, die Unterstützung des Bürgermeisters, seine Haltung als Mediator, die Fähigkeit sich immer wieder Empathie einzuholen und auch wieder Abstand zu gewinnen.

Vierter Keynote-Speaker am Freitag: Prof. Dr. Holger Bonin. Als Forschungsdirektor des Institute of Labor Economics IZA zeigte er die Trends und das Konfliktpotential in Zusammenhang mit Arbeit 4.0 auf. U.a. veranschaulichte er, dass es eine Umwälzung von Arbeitsplätzen geben wird. Beispielsweise werden Sozialberufe mehr gefragt sein. Neben den Konfliktquellen, die Homeoffice mit sich bringt, z. B. die zeitliche und emotionale Belastung, das Neu-Aushandeln der Rollenverteilung in der Partnerschaft, ungeeignete Arbeitsplätze (was Frauen stärker trifft als Männer), verminderte Produktivität und Schwierigkeiten mit der Selbstorganisation der Arbeit (ggf. Karrierenachteile), Forciertes Homeoffice, gibt es einen Tendenz zum „Gläsernen Arbeitnehmer“ und zum „intransparenten Arbeitgeber“.
Wichtig sei es die Arbeitnehmerrechte zu stärken. Der Arbeitnehmerdatenschutz und die Arbeitszeitregelung werden mehr an Beachtung finden. In einem Fragen-/Antwortpart verdeutlichte Herr Bonin, dass Mitarbeiterwertschätzung wichtig ist und ein kreativer Umgang mit den digitalen Medien.
Als eine der abschließenden Fragen stellt er in den Raum: Wie ziehen wir in der Aus- und Weiterbildung nach, um die neu geforderten Skills zu erfüllen?

Abendveranstaltungen online

Abends konnten wir uns in der „Schein“-Bar verabreden, im Kaminzimmer gemütlich zusammensitzen oder uns im Weinkeller oder anderen virtuellen Räumen fachlich austauschen und kennenlernen. Eine Tanzbar mit DJ soll bis in die Morgenstunden besucht worden sein.

Aktuelles

Am letzten Kongresstag unterbricht kurz vor 11 Uhr Tobias Kill, mit Kapuze und Regenhintergrund die Ansprache von Alexandra Bielecke sinngemäß mit den Worten: „Lasst uns anfangen. Es drängt!“ Alexandra Bielecke wechselte umgehend ihren Hintergrund auf eine Wetterkarte und stellte einen der führenden Klimaforscher, den Präsident des Club of Rome in Deutschland, Prof. Dr. Mojib Latif mit seinem Keynote: Klimawandel – nach uns die Sintflut? vor.

Hier ein paar Auszüge aus dem, was ich von ihm verstanden/mitgenommen habe:

Angesichts der Corona-Pandemie wird deutlich, dass es nicht nur Krisenkommunikation sondern auch Risikokommunikation braucht, damit präventives Handeln möglich ist.
0,1 % der Atmosphäre, die Spurengase, sorgen für unser mildes Klima; ansonsten hätten wir -18 Grad. Der Klimawandel bedroht das Weltklima. Auch der Lockdown hat den Gehalt an CO²  weiter steigen lassen.
Es braucht systemische Veränderungen: im Verkehrssektor, in der Industrie und in allen Lebensbereichen. Anhand von Statistiken und Animationen zeigte er auf, wie die Erderwärmung vorangeschritten ist. Fast die Hälfte des Eismeeres ist verloren. Der Meereswasserspiegel steigt dann, wenn das Landeis schmilzt. Bzgl. der Gletscher sprach er von: „„Die schlafenden Riesen“ sind erwacht.“. Ich habe ihn mahnen hören: Wir haben keine Zeit zu verlieren. Hoffungsvoll – er bezeichnet sich als „hoffnungslosen Optimisten“ – zeigte er auf, dass Deutschland die erneuerbaren Energien bezahlbar gemacht hat und spricht von einem Innovationsmotor schlechthin. „In welcher Welt wollen wir leben?“ fragt er mit Blick auf die Entwicklung im besten und im schlimmsten Fall.
Er endet mit einem Zitat von Barack Obama auf dem UN-Klimagipfel in New York vor sechs  Jahren: Wenn wir die Luft, die unsere Kinder atmen werden und das Essen, das sie zu sich nehmen werden, und wenn wir die Träume all unserer Nachkommen über unsere kurzfristigen Interessen stellen – ja, dann ist es vielleicht noch nicht zu spät.

Innovationspreis

Am Nachmittag begrüßte Vorstandsmitglied Claudia Becker rund 125 TeilnehmerInnen zur Verleihung des Innovationspreises.
Markus Becker wurde live zugeschaltet und spielte uns am Flügel die Mozartsonate, Dritter Satz Opus 10 Nr. 3 vor.

15 Bewerbungen aus vielfältigen Bereichen wurden eingereicht. Die Juri bestehend aus Prof. Dr. Dr. h.c. Friedrich Glasl, Carsten Pöschl (Leiter Ombudsstelle SAP) und Dr. Larissa Thole, Referat für Mediation und Schlichtung im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Berlin wählten die Mediationszentrale München, MZM, für das Projekt Schulmediation aus.

Der verhüllte Preis wurde mit Erläuterungen zum Prozess und Wertschätzung von Claudia Becker zu Prof. Friedrich Glasl, weiter an Carsten Pöschl und Frau Dr. Thole  und für die MZM an Frau Wünschmann „gereicht“:  Einen Oskar und eine Urkunde. Der mit 2000 € dotierte Preis wird für interne Fortbildung genutzt.

Frau Wünschmann erklärte sich stolz nach 11 Jahren Engagement diesen Preis zu erfahren stellvertretend für 38 MediatorInnen die derzeit ehrenamtlich in der MZM Schulmediation wirken und Kindern und LehrerInnen durch Vorleben streiten lehren und Brücken bauen lernen. Nach einem Film über das Projekt, dankte sie Johannes Prokopetz für die Nominierung und dem Vorstand, den Förderern und Unterstützern und den Schulen, die das Vertrauen darin geschenkt hatten. Sie betont die Kraft aus der gemeinsamen Vision, der Haltung. „Wir stehen für Frieden, wir brennen für Frieden.“ erklärte Frau Wünschmann im Friedensstifterkleid. Mehr zum Innovationspreis hier und zur Mediationszentrale München.
Das Projekt steht auch jetzt Online zur Verfügung und ist übertragbar.

Vor dem zweiten Teil der Verleihung des Innovationspreis lässt uns Markus Becker u.a. an einem selbst komponierten Stück teilhaben: „Die spielenden Kinder im Streit“.

Eine der Bewerbungen war der Film: “Back to the fatherland“. Weil dieser Film nicht zu den Kriterien für den Innovationspreis passt und gleichzeitig als sehr bezeichnend erachtet wurde, bat die Juri darum diesen Film mit einer Sonderauszeichnung zu versehen. Wiebke Heider erzählte von den Darstellern und den Handlungen. Tausende Israelis leben mittlerweile in Deutschland. Die meisten in Berlin. „Warum ausgerechnet Deutschland?“, fragen sich viele ihrer Großeltern, die den Holocaust überlebten. Der Dokumentarfilm zeigt die Traumata, die die Shoah in israelischen Familien ausgelöst hat. Ein Trailer ist über die Seite des BM verlinkt.
Matthias Kress, Co-Produzent, nahm stellvertretend für das Filmprojekt von Alexandra Bielecke den Oskar und die Urkunde im Wert von 1000 € entgegen. Katharina Rohrer wurde live dazu geschaltet. Bisher wurde der Film in 10 Ländern vorgestellt. Angestrebt wird, den Film weiter zu verbreiten, Diskussionen anzuregen. Ein deutscher Sendepartner wird gesucht.

Abschluss

Feierlich klang die Verleihung aus mit Markus Becker am Flügel mit einem Stück von Robert Schumann, Arabeske in C-Dur, voller Liebe und einem Abschluss mit einem Blick, der in die Ferne schaut. Dazu erwähnte er, dass einer der drei Leitfiguren von Robert Schumann der vermittelnde Meister Raro, also ein Mediator, war.

Ein – wie ich finde – würdevoller Abschluss des ersten Online-Kongresses des Bundesverbandes Mediation, nach fünf Tagen mit fünf Keynotes und 30 Workshops, den Preisverleihungen, der Begleitung durch den Vorstand und den „Schein“-Bar-Abend. Mit Blick auf den Kongress in 2022 wird „international“ gedacht. Ich bin gespannt.

Weiteres zu den einzelnen Workshops finden Sie hier sowie Eindrücke in Wort und Bild hier Klimawandel – Heute für ein Morgen streiten (padlet.com)
Einzelne Präsentationen aus den Keynotes und Workshops werden im internen Mitgliederbereich des BM zur Verfügung gestellt.